Von Einer die auszog, (nicht) älter zu werden.
Älter werden… Wo fange ich diesen Spaziergang gedanklich an? Gemeinerweise lassen mich meine Gedanken gerade bei diesem Thema gern mal allein. Also dachte ich mir: „Je weiter ich laufe, desto eher kommen sie, begleiten mich und desto mehr Zeit können wir uns miteinander gönnen.“
Habt ihr eine Bucket List? Jene auch Löffelliste genannte Sammlung von Dingen oder Zielen, die man in seinem Leben einmal erlebt oder erreicht haben möchte, bevor man ebendiesen Löffel abgeben muss.*
Habt ihr eure Löffelliste schon geschrieben? Ich nicht. Die müsste ich nämlich ziemlich oft überarbeiten, schätze ich, denn:
Leben ist das, was passiert, während du andere Pläne machst.
wusste schon John Lennon.
Nun habe ich kürzlich die Schwelle zur zweiten Jahrhunderthälfte meines Lebens überschritten. Tat nicht weh und finde ich auch nicht schlimm. Was mir diese Zahl aber verdeutlicht: Während ich vor ein paar Jahren noch den „Du hast ja dein halbes Leben noch vor dir“-Joker zücken konnte, um Pläne, Ziele oder eben Dinge, die ich in meinem Leben unbedingt noch erlebt haben wollte, entspannt weiterzuschieben, bleibt nun vom Leben nur noch ein rationalisiertes Maß an Zeit übrig.
Das Gute: Statt den nicht mehr gültigen Joker zu zücken, frage ich mich nun in diesen Momenten: „Warum machst du’s nicht gleich?“
Ein „Ding“ in meinem Bucket-Gedankenspeicher ist schon eine Weile der Wunsch, einmal zu Fuß von meiner jetzigen Heimat in die Heimat meiner Kindheit zu wandern. Google Maps verriet mir, dass das ca. 65km sind. Durchaus machbar also, zudem keine Berge, viel Wald und Natur und- damit es nicht zu einfach wird – wenig Übernachtungsmöglichkeiten. „Das schaffe ich noch vor meinem 50sten!“, dachte ich mir, googelte mir eine Route zurecht, fand kleine Unterkünfte, die mal näher, mal entfernter auf meinem Weg lagen.
Und hab’s dann einfach gemacht. Weil ich es kann, Bock drauf hatte und weil eben nicht mehr mein halbes Leben vor mir liegt, um das tatsächlich mal erlebt zu haben.
Wie sich das angefühlt hat? Einzigartig! Und ich würde es jederzeit wieder machen.
Springen wir noch einmal zurück zum Beginn dieser kleinen Gedankenwanderung: Ich wollte ja auf meiner Tour viel Zeit mit meinen Gedanken verbringen und ihnen Raum zum Austoben geben. Was stattdessen passiert ist? Meine Entspannung hat sich auf sie übertragen, sie haben es sich in meinem Oberstübchen gemütlich gemacht und mich die komplette Wanderung in Ruhe gelassen. Das ist mir erst aufgefallen, als mich jemand darauf ansprach. Die realen Wanderwege, die Natur, die bereichernden Begegnungen unterwegs haben mich komplett im Hier und Jetzt sein und meine sonst immer so vorlauten Gedanken verstummen lassen. Verrückt.
Was mir also von meiner Wanderung bleibt, sind folgende Erkenntnisse:
- Du kannst alles machen, wenn du es von Herzen willst.
- „Just do it“.
- Verschieben ist was für (Lebens-)Anfänger 😉
- Und: Manchmal ist es gut, Wege langsam zu gehen, um den Zauber des Moments leichter einfangen zu können.
Kaum von der Wanderung zurück saß ich vorm Fernseher und habe mir den Eurovision Song Contest angeschaut. Wie schon die vielen Jahre/ Jahrzehnte zuvor. Ich mag ihn immer noch – ist einfach viel Kindheitserinnerung und gleichzeitig ein akustisches Zeichen, wie Musik Menschen vereinen kann.
Mein Bucket-Gedankenspeicher springt direkt auf „Alert“ und erinnert mich an ein weiteres Ereignis, das ich unbedingt einmal live erleben möchte. Ihr ahnt es schon: Richtig, den ESC! Nun mag ich Schweden sehr und nächstes Jahr ist gleichzeitig das 50jährige Jubiläum des ersten ABBA-Siegs. Wieder die 50…
Und auch, wenn ich keine Ahnung habe, wie ich an Karten kommen werde, ob ich mir das überhaupt leisten kann und ja auch noch nicht mal klar ist, wo in Schweden der ESC ausgetragen wird: Wenn ich’s nächstes Jahr nicht wenigstens versuche, wird das in diesem Leben eh nix mehr. (Die Hoffnung, dass wir den ESC nochmal nach Deutschland holen, ist ja realistisch betrachtet recht gering.)
Wenn ihr also bis hierhin gedanklich mit mir mitgewandert seid und auch, wenn euer Türklopfer noch lange nicht an Hausnummer 50 pocht: Warum Dinge, die wir wirklich gern erleben möchten, aufschieben? Das muss auch mit 20 nicht sein. The time is now – wie ich Moloko immer wieder gern anführe. Für’s „Irgendwann“ sind wir viel zu schnell zu alt.
Was die 50 ansonsten in mir auslöst? Nicht viel. Ein Freund schrieb mir, dass ich mit 50 jetzt wenigstens Ortsgeschwindigkeit fahren darf. Also etwas schneller, als bisher. Die Vorstellung gefällt mir. Das Leben vergeht schneller und es liegt an uns, Schritt zu halten und das Beste mitzunehmen. …und eben aus dem ein oder anderen „Irgendwann“ ein „Jetzt“ zu machen.
Apropos mitnehmen: Ich habe die Zeit auf der Wanderung genutzt, um mich ordentlich von der Natur verzaubern zu lassen und dies in Bildern festgehalten. Kommt gern ein paar Schritte mit, wenn ihr mögt!
* Weil mich interessiert hat, wo das mit dem „Löffel abgeben“ herkommt, hier auch für euch: Wir geben unseren Löffel nicht wirklich ab. Es ist eher der pragmatische Gedanke, unsere letzte Mahlzeit zu uns zu nehmen und den Löffel nach dem Ableben einfach nicht mehr zu benötigen. Daher – so sagt man – die Sache mit dem „Löffel abgeben“.


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