… du liebst mich nicht, ich lieb dich nicht. Aha.
Kennt ihr vielleicht auch noch. So ein kleines Wort und doch so wichtig.
Das erste Wort vieler Babys ist „Da“. Sie möchten damit zum Ausdruck bringen, dass sie etwas interessant finden, irgendwohin wollen (bzw. dahin), oder etwas Bestimmtes gern haben möchten. „Da“ funktioniert als Baby fast immer.
„Da“ begleitet uns im Prinzip unser ganzes Leben lang. Auch als der Sprache schon etwas mächtigerer Mensch ist es ja recht bequem, eine örtliche Bestimmung oder einen Service einfach mit zwei Buchstaben zu beantworten.
„Wo ist die Fernbedienung?“ – „Da.“
„Kannst du mir mal die Butter reichen?“ – „Da.“
Gern begleitet von einer wegweisenden Handbewegung oder einem entsprechenden Kopfnicken.
Und „da“ kann noch so viel mehr! Leider vergessen wir manchmal, was „da“ eigentlich noch bedeutet. Nämlich auch präsent zu sein. Für jemanden da zu sein – als Unterstützung, guter Zuhörer o.ä. oder einfach die körperliche Anwesenheit durch die geistige zu vervollständigen.
Kennt ihr das? Ihr trefft euch mit Freunden oder seid mit Kollegen im Meeting und bemerkt plötzlich, dass euer Körper brav auf dem ihm zugedachten Stuhl sitzt oder beim richtigen Grüppchen steht. Vielleicht nickt euer Kopf auch auf Verdacht andächtig mit. Aber eigentlich habt ihr den Anschluss schon längst verpasst, weil eure Gedanken gerade ganz woanders rumwildern oder einfach mal die „Pause“-Taste gedrückt haben.
Mit allen Sinnen im Hier und Jetzt zu sein, wird im digitalen Zeitalter nicht leichter: Wenn nämlich mobile Endgeräte ins Spiel kommen, die auch immer „da“ und meist dabei sind. Die diese magnetische Wirkung haben, dass mindestens unsere Augen, auch gern unsere Hände und sowieso unsere Gedanken ständig genau da dran sein möchten. Die schaffen es ganz gern und ziemlich gut, unsere volle Aufmerksamkeit auf sich (und von anderen Dingen weg) zu ziehen.
Kennt ihr „Phubbing“? Davon habe ich erst kürzlich zum ersten Mal gehört: die Kombination aus „phone“ und „snubbing“ (brüskieren). Das Wort selbst und sicher auch das, was es beschreibt, gibt es schon seit vielen Jahren. Es beschreibt den „unangemessenen Gebrauch eines Mobiltelefons in einer sozialen Situation“ (Wikipedia) oder wie ich es definieren würde: Man stellt sein Handy in diesem Moment vor eine persönlich anwesende Person. Habt ihr sicher auch schon erlebt. Ich bin immer wieder verwundert, Menschen in Restaurants oder Bars zu beobachten, die sich gegenüber sitzen und – statt miteinander zu sprechen – irgendetwas in ihr Handy tippen oder in ihm herumscrollen. Viele Locations haben inzwischen digitale Speisekarten – da bleibt uns also manchmal nichts anderes übrig, als unser Handy zu konsultieren. Spätestens, wenn das Essen auf dem Tisch steht, greift diese Ausrede allerdings nicht mehr ganz so gut.
Und Hand auf’s Herz: Wer komplett Handy-unabhängig ist, werfe den ersten Akku! Dabei gibt es doch so viel Persönlicheres, das unsere ungeteilte Aufmerksamkeit mindestens genauso verdient hätte.
Ich fürchte, dass ich selbst ein kleiner Handy-Junkie bin. Weil ich es tagsüber während der Arbeit meist brav zur Seite lege und nachmittags dann doch wissen möchte, was ich so alles verpasst habe. Oder um mal zu schauen, wie viele Leser denn auf Wortweit gestöbert und gedankenmitgewandert sind. Wir sind heutzutage einfach auf mehreren Ebenen da – dagegen ist nichts einzuwenden. Wie immer versuche ich hierbei gewisse Rahmenbedingungen einzuhalten: Kein Handy während der Nahrungsmittelaufnahme und während Unterhaltungen (persönlich oder fernmündlich) = kein Handy, wenn ich besser einfach analog „da“ sein sollte. Ich habe das in OPEN UP FOR BEING OFF schonmal mit „ON-Sein als krasseste Form des OFF-Seins“ beschrieben.
Letztendlich kennt ihr alle das Synonym für Leben oder Existenz: das sogenannte Dasein. Schon wieder diese beiden kleinen Buchstaben. Unsere Challenge ist, das analoge Existieren mit der digitalen Welt in Balance zu halten – ist möglicherweise leichter, wenn man (wie ich) jenseits der digitalen Welt groß geworden ist.
Und wenn ich merke, dass das Handy-zur-Hand-nehmen gerade wieder Überhand nimmt? Dann versuche ich, meine Hände ordentlich anders zu beschäftigen, so dass keine von beiden für’s Handy frei ist. Gartenarbeit & Stricken klappen da toll. Gerade habe ich mir rebellischer Weise ein Stickset bestellt. Also Stricken ohne „r“ und mit kleineren Nadeln. Das habe ich tatsächlich noch nie gemacht, aber es stand „Anfänger“ dran und das Motiv ist künstlerisch cool. Da bin ich mal optimistisch.
Vielleicht habt ihr auch einen guten Trick, das mit dem Fokussieren zu üben. Muss ja nicht st(r)icken sein. Das Gute an diesen handwerklichen Dingen: Da-sein klappt einfach besser und der Fokus auf eine neue oder eben konzentrationsintensive Aufgabe lässt uns zumindest für diese Momente ganz im Hier und Jetzt sein.
Kleiner Gedankenstupser zum Schluss: Wie verhaltet ihr euch, wenn Menschen in eurer Gegenwart „abwesend“ sind? In höflichen Momenten nehmen wir das – vermute ich – oft hin, wohl wissend, dass jegliche Reaktion in genau diesem Moment überflüssig ist, weil unser Gegenüber ja eh gerade nicht komplett „da“ ist. Oder wir versuchen es mit einem: „Klopf, klopf – jemand zuhause?“ Unabhängig von anderen Personen haben wir immer die Chance, bei uns selbst anzusetzen, uns darüber bewusst zu werden, wenn wir (geistig) abdriften, uns dann am eigenen Arm zu packen und uns wieder zum Ort des Geschehens, der Person, die uns etwas erzählt, einer Aufgabe zurückzuholen.
„I’m starting with the man in the mirror“, nahm sich schon Michel Jackson vor. Mit anderem Ziel und gleichzeitig so gut auf viele andere Ziele passend. Glücklicherweise sind die meisten Spiegel ja nach wie vor analog, so dass wir uns ganz auf die Person fokussieren können, die uns daraus anblickt und motivierend zuzwinkert.
Und weil der Titel einfach so schön passt, begleiten mit heute Sophie Hunger und Husten mit ihrer musikalischen „Dasein“s-Inspiration.


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