DER ERSTE TAG VOM REST MEINES LEBENS

Der erste Tag vom Rest meines Lebens ist der 02. Juni 2008.

An diesem Tag erhielt ich die Diagnose „Diabetes mellitus, Typ 1“. Kein Todesurteil, sondern meine Lizenz zum Weiterleben.

Hätte ich vor 100 Jahren gelebt, würdet ihr diese Zeilen jetzt nicht lesen. Nicht, weil es damals noch kein Internet gab, sondern, weil ich längst an dieser schon erforschten, aber noch nicht therapierbaren Zuckerkrankheit gestorben wäre.

Ein 13-jähriger Junge hatte den ersten Tag vom Rest seines Lebens im Jahr 1922, als er als erster Diabetiker mithilfe einer Therapie geheilt werden konnte. Das Zaubermittel war das Hormon Insulin und ist es heute noch. Insulin war im übrigen auch mein persönlicher Hamsterkauf in Corona-Lockdown-Zeiten. Ohne Klopapier hätte ich jeden Lockdown gemeistert. Ohne Insulin vielleicht 2-6 Wochen. Dann wäre ich nicht an Corona, sondern an den Folgen meiner Diabetes (Überzuckerung, Organversagen, diabetisches Koma, …) gestorben. Während andere also Klopapier hamsterten, hamsterte ich Insulin.

Ob ich weiß, was da alles in den neueren, synthetisch hergestellten Insulinen drin ist? Nein. Ich vertraue meinem Diabetologen und freue mich, dass ich dank dieses Zaubermittels und dank all der Wissenschaftler, die schon seit der Antike die Krankheit erforschen und deren Behandlungsmethoden auch heute noch weiterentwickeln, ein relativ unbeschwertes Leben leben darf. (So denke ich im übrigen auch über Vakzine & Co.) Und wie bei jeder (chronischen) Krankheit, ist auch der Diabetes manchmal ein Arschloch.

Viele Diabetiker nennen ihn daher ihr „Dia-Monster“. Für mich ist es mein Wegbegleiter. Natürlich kann ich ihn als meinen Feind verachten, aber lieber respektiere ich ihn als meinen Verbündeten. Wenn er zum Monster wird, dann meistens, weil ich ihn nicht gut behandle oder seine Warnungen ignoriere. Er ist und bleibt mein zweifelhafter, aber treuer Freund, den ich wohl trotz der weiteren Forschungserfolge bis an mein (dank Insulin) glücklicherweise noch in weiter Ferne liegendes Lebensende nicht mehr los werde.

Und so feiere ich jedes Jahr zwei Geburtstage: den 10. Mai mit Freunden und Familie, den 02. Juni mit meinem Dia-Buddy.

Heute am 14.11. ist Weltdiabetestag. Auch ein Geburtstag, und zwar der von Frederick G. Banting, der gemeinsam mit Charles Herbert Best 1921 das lebenswichtige Hormon Insulin entdeckte und ein Jahr später (wie oben geschrieben) erfolgreich einsetzte. Neben allen anderen wirklich schlimmen Krankheiten ist heute der Tag, international auf Diabetes hinzuweisen und sich mit anderen Diabetikern zu solidarisieren.

Und wenn ich mal wieder an dem Punkt bin, mit meinem schicksalhaften Wegbegleiter zu hadern, dann begleitet mich zum Beispiel Des‘ree, die mich mit „You gotta be“ ermutigt zu challengen, was die Zukunft bereithält.

Time asks no questions, it goes on without you …

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